Quelle: steampowered.com
Nach dem Amoklauf in München wird wieder mal über Computerspiele debattiert. Es wie immer, die Polizei findet heraus, der Amokläufer hat CounterStrike gespielt und schon werden alle Ego-Shooter unter Generalverdacht gestellt, dass diese Jugendliche zu Amoklaufenden machen. Nun gut, die Sprache der Politiker hat sich gebessert, es ist tatsächlich von Ego-Shootern die Rede und nicht mehr von „Killerspielen“. Aber die Argumentation bleibt: Spiele würden Heranwachsende beeinflussen und gehörten zu ihrem Schutze reguliert.
Während die Befürworter auf Amokläufe zeigen und aus einer Korrelation eine Kausalität machen, kontern die Gegner meist nur, in dem sie den Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität aufzeigen: „Alle Amokläufer haben Wasser getrunken, also verbietet auch Wasser!“
Selbst nach Sprüchen wie
“If Pac-Man had affected us as kids, we'd all be running around in dark rooms, munching pills and listening to repetitive electronic music.” (Marcus Brigstocke)
wird die Diskussion nicht beendet sondern explizit auf Ego-Shooter eingegrenzt.
An sich sind Computerspiele auch nur ein Medium, so wie Filme und Bücher, aber wenn von der Regulierung von Büchern die Rede ist, heißt es, es wäre überhaupt nicht vergleichbar, weil Zensur von Literatur ja vollkommen undenkbar sei. Aber ist es das wirklich so? Sind Bücher wirklich was komplett anderes? Während ich selbst glaube, dass Computerspiele selbst schon den Status eines ernst zu nehmenden Medium haben können, scheint der Großteil unserer Gesellschaft es nicht tun zu wollen — „Es ist ja nur ein Spiel!“
Wenn ich heute ein Buch lese und vollkommen in der Geschichte gefangen bin und nicht gestört werden will, sagen wir von Agatha Christie „Die Morde des Herrn ABC“, wird es zum größten Teil akzeptiert. Hingegen, wenn ich ein Spiel spiele, es könnte sogar einfach nur das vorhin erwähnte Buch als Spiel verpackt sein, dann ist es plötzlich inakzeptabel, dass ich in meinem Erlebnis gestört werden möchte — „Es ist ja nur ein Spiel!“
Ja, ich erlebe das Spiel, es hat eine Auswirkung auf mich. Genauso hätte das gleiche Erlebnis in Forme eines Buches, welches ich erlebe, die gleiche Auswirkung. Aber Bücher seien ja komplett anders und ich muss mir anhören „Es ist ja nur ein Spiel!“ und „Computerspiele sind böse!“
Dadurch, dass es ja nur ein Spiel sei, kann man schnell Spiele zum Sündenbock machen. Sündenböcke sind toll! Sie sind an allem Schuld und alles ist mit der Gesellschaft in Ordnung. Schnell wurde aus dem Amoklauf ein Anschlag gemacht, um möglichst alle Probleme auf Terroristen abschieben zu können. Nachdem dann klar wurde, dass es sich „nur“ einen Amoklauf handelt, können Terroristen nicht mehr schuld sein.
Die etablierten Medien scheinen im Umgang mit der Thematik etwas reifer geworden sein und stellen tatsächlich die eigentliche Frage: Wie konnte es nur dazu kommen? Was könnte getan werden, um künftig sowas zu verhindern?
Die Antwort wollen viele nicht hören, aber die Tatsache ist: Unsere Gesellschaft hat versagt; sie hat sich nicht genug um den Täter gekümmert. Da kommt es gut, dass der Freund des Amokläufers vielleicht von der geplanten Tat wusste. Genau, finden wir ein anderes Sündenbock, damit wir als Gesellschaft uns nicht verändern müssen!
Woher hätte er wissen sollen, dass der Täter, ein depressiver 18-Jähriger, es wo möglich ernst meinte? Oder heißt das konsequenter Weise, dass ich alle, die als Ausdruck ihrer Wut einmal Fantasien von Gewalt von sich geben, anzeigen muss? Und ich meine jedes „Ich könnte sie erschießen!!“ oder „Ich könnte ihn erwürgen!!“
Konsequenz heißt auch Holzwege zu Ende zu gehen. Also verbieten wir am besten alle Spiele. Dann aber genauso alle Filme und Bücher. Und alle Drogen, also auch Tabak und Alkohol. Und wir verhaften alle Menschen, die nicht Budda sind. Oder wir töten den Zombie und verändern uns, die Gesellschaft.
EDIT 2019-08-10: Aus gegebenen Anlass: maiLab: Verursachen Videospiele Amokläufe?
EDIT 2019-10-14: Ein weiterer Anschlag und Seehofer stellt Gamer unter Generalverdacht